40 Jahre Naturschutzprojekt Holtumer Moor
Das Holtumer Moor
Das über einem Salzstock liegende Holtumer Moor (zwischen der B 215 und der Bahnlinie Verden – Rotenburg, sowie den Ortschaften Holtum (Geest) und Eversen liegend bildet inmitten einer welligen , leicht hügeligen Grundmoränenlandschaft der Saalekaltzeit eine heute etwa 20 Meter tiefe Senke von ca. 6 qkm Größe. Die durch den Salzstock bedingte anhaltene Absenkung führte in der Nacheiszeit zu einer klimabedingter Seen- und Moorbildung. So ist es nicht verwunderlich, das am Rande des ehemaligen Niedermoores seit der jüngeren Eisenzeit über die Bronzezeit bis hin zur Eisenzeit Menschen siedelten. Aus diesen Epochen zeugen zahlreiche Hügelgräber, Siedlungsfunde, Urnen, Grabbeigaben auf den Anhöhen, fast rund um das Moor. Aber selbst an einer tiefer gelegenen Fläche wurde ein sog. Hortfund von einem Bauern beim Torfstechen aus der Jungbronzezeit gefunden. (Siehe auch Schriftenreihe des Verdener Heimatbunde e.V. – Das Holtumer Moor – eine Siedlungskammer im Lk Verden v. Gerhard W. Gienke + Manfred Raba). Abtorfung und Trockenlegungen hinterließen so das heutige Holtumer Moor. Dennoch kommen von 40 in Deutschland vorkommenden Landschaftstypen immerhin noch 9 (Reste)im Holtumer Moor vor : Auwald, Bruchwald, Feuchtgrünland, Feldgehölze und Hecken, Bachlauf mit Grabensystemen, Stillgewässer, Niedermoor und Sumpf, Quell- und Magerrasen.
Der westlich liegende Bereich (zur B 215) weist etwa 80% an Ackerflächen und 20% an Grünlandflächen, der mittlere Bereich etwa 60% an Ackerflächen und 40% an Grünlandflächen auf.
40 Jahre ehrenamtliches Engagement durch den NABU-Kreisverband Verden e.V.
Ein seltenes Jubiläum feiert der Naturschutzbund Deutschland (NABU)- Kreisverband Verden e.V. in diesem Jahr mit seinem Engagement im Holtumer Moor. Bereits 1979 erwarb die Naturschutzorganisation ihr erstes 1.838 qm großes Schutzgebiet. – heute besitzt der NABU 27,8 ha an unterschiedlichen Ökosystemen. Galt zu Beginn das Hauptaugenmerk den seltenen Pflanzen (z.B. Arnika, Beinbrech, Schwarzwurzel, u.a.) so wird heute die größtmögliche Erhaltung der vielfältigen Kleinstrukturen angestrebt. Das Schützen und Erhalten seltener und bedrohter Amphibien- Heuschrecken- Falter- Pflanzen- Reptilien- und Vogelarten gehört ebenso zum Artenschutzkonzept Holtumer Moor, wie der Schutz von Feuchtwiesen, Erlenbruchwäldchen, Sumpfflächen und §30-Biotopen.
Wurden anfänglich die NABU-eigenen Flächen im Holtumer Moor von der NABU-Gruppe Verden betreut, so wurde 1993 auf Grund von erhöhten Anforderungen die NABU-Biotoppflegegruppe Holtum gegründet, die sich speziell um die vom NABU-Kreisverband erworbenen Flächen im Holtumer Moor kümmert.
Dieser Aufgabenaufwand durch ein Schutzgebiet-Management hat sich für die Natur ausgezahlt. Tümpelausbau, Mähaktionen, Artenschutzmaßnahmen, Durchführung von Exkursionen, Pflanzaktionen, Entkusselungsmaßnahmen, Biotop-Kartierungen, Öffentlichkeitsarbeit, Grabenreinigungsaktionen von Hand, Entfernung von verrostetem Stacheldraht, Pflege der Infostationen (Goy-Stein und Badeanstalt), Kontakte zu Landwirten, Festlegung von Mähterminen, Ausarbeitung von Pachtverträgen, Zaunpflege usw. gehören heute zu den Hauptaufgaben der Biotoppflegegruppe Holtum zu der 4 Frauen und 15 Männer gehören.
Entwicklung zu vielfältigen Schutzzonen
Das Holtumer Moor gehört zu den wenigen Gebieten des Landkreises Verden, die schon frühzeitig und umfassend pflanzensoziologisch untersucht wurden. In den Jahren 1963/64 und 1975/76 durch Prof. Hartmut Dierschke von der Uni Göttingen. Hierbei stellte sich heraus, dass sich die Vegetation in der Zwischenzeit erfreulich wenig verändert hatte. Im Rahmen einer Diplomarbeit wurde das Holtumer Moor abermals im Jahre 1988 durch Dr. Burkhard Wittig aus Verden untersucht. Der nochmalige Vergleich zeigte eine starke Veränderung , insbesondere der Grünland-Gesellschaften auf, welches zum größten Teil auf eine intensiv geführte Landwirtschaft und Entwässerung zurückzuführen war. Dennoch wurden bei dieser Untersuchung immerhin noch 35 Pflanzenarten der Rote Liste festgestellt. 1997 wurde das Holtumer Moor nochmals von Dr. B. Wittig + Studenten der Uni Bremen pflanzensoziologisch untersucht. Hierbei wurde festgestellt, dass sich auf den Flächen des Naturschutzprojektes Holtumer Moor wenig zu ungunsten der Pflanzenwelt verändert hatte, leider aber auf den landwirtschaftlich genutzten Flächen!
Gerade aus diesem Grunde kam es dem NABU gelegen, Schutzkonzepte zu entwickeln, die einen weiteren Artenrückgang verhindern sollte.
Ein Entwicklungs – und Pflegekonzept für die einzelnen Biotope wurde aufgestellt. Hauptaugenmerk wird dabei auf eine extensive Bewirtschaftung (Mahd und Beweidung) gelegt, bzw. manche Gebiete werden sich selbst überlassen (Feuchtbiotope, Bruchwaldreste, Hochstaudenflur). Je nach Art des Schutzkonzeptes werden Düngerzugaben untersagt, bzw. reduziert. So sind heute 2/3 der NABU-Flächen an Landwirte aus der Umgebung verpachtet. Insekten- und Schädlingsbekämpfungsmittel so wie das Aufbringen von Gülle sind untersagt. Weiterhin wird geprüft, ob sich Flächen für die Anlage von Tümpeln, Grabenaufweitungen. Anpflanzungen usw. eignen. Selbstverständlich ist das Anbringen von Nisthilfen für Bilche, Faltenwespen, Fledermäuse, Vögel und Wildbienen.
Zusammenarbeit mit Landkreis Verden und privaten Naturschützern
Der Landkreis Verden besitzt im Holtumer Moor 20.68 ha Feucht-Grünlandflächen und Erlenbruchwald-Reste. Das Land Niedersachsen steuert mit dem Besitz der Auequelle 4,66 ha bei. Private Naturschützer aus den Reihen des NABU besitzen weitere 19,09 ha an Schutzflächen. Mit den NABU-Flächen werden im Naturschutzprojekt Holtumer Moor über 72 ha naturschutzfachlich betreut. Dennoch sind nicht nur der Ankauf, sondern das Anbieten und Entwickeln von Schutzzonen und deren Weiterentwicklung als Rückzugs- und Wiederbesiedlungsgebiete für gefährdete Arten wichtig. So haben alle 3 Naturschutzpartner erkannt, dass man auf Eigenflächen viel besser Arten- und Biotopschutzmaßnahmen durchführen kann, zumal dieses weitgehend ohne Kompromisse gegenüber anderen Nutzern möglich ist.
Reinhard Goy-Fonds - ein Glücksgriff für den Naturschutz
Dem 1992 verstorbenen 1. Vorsitzenden des ehemaligen DBV (Deutscher Bund für Vogelschutz)und heutigem NABU, Reinhard Goy ist es zu verdanken, dass er sich für den Ankauf von Schutzflächen im Holtumer Moor einsetzte. Ein nach ihm benannter Fonds ermöglichte es dem NABU, bis heute 27,8 ha an Schutzflächen zu erwerben. Ein Großteil des Betrages für den Ankauf von Lebensräumen wurde von Privatpersonen, Firmen, Banken, Schulklassen gespendet oder durch den Goy-Fonds finanziert. Für die Anlage von 11 Tümpeln wurden Lotteriegelder (Bingo-Umweltstiftung Niedersachsen) beantragt. Pflanzgut (Büsche und Bäume – von 2007-2017 = 2700 Pflanzen)) zur Bepflanzung der Biotope werden über das Programm „Belebung der Landschaft“ des Landkreises Verden kostenfrei bezogen. So ist gewährleistet, dass nahezu 100% der gespendeten Gelder in den Flächenkauf oder Biotopverbesserungen fließen!
Nur der 40-jährigen Beharrlichkeit durch den DBV/NABU ist es zu verdanken, dass viele Tiere und Pflanzen das Holtumer Moor als Lebens- und Rückzugsgebiet nutzen.
Effizienzkontrolle für den ökologischen Erfolg notwendig
Im Jahre 2002 konnte der damaligen Unteren Naturschutzbehörde des Landkreises Verden eine umfassende Arten-Aufstellung übergeben werden. Es wurden 906 unterschiedliche Arten (Libellen, Nachtfalter, Tagfalter, Schnecken, Fische, Vögel, Blütenpflanzen u.a. ) festgestellt. Diese Zahlen flossen in die Neuaufstellung des Landschaftsrahmenplanes für das Holtumer Moor, ein, welches der Fachdienst Naturschutz des Landkreises Verden 2005 neu fasste.
Wenn die Zahlen sicherlich bei weitem noch nicht die Gesamtheit der im Holtumer Moor beheimateten Arten widerspiegeln, so interpretiert die Aufstellung dennoch eindeutig, wie effizient die jahrelange ehrenamtliche Arbeit des NABU und der privaten Naturschützer war/ist. Durch die Aufstellung des NABU wurde das Holtumer Moor zum „Gebiet mit hoher Bedeutung für die Tier- und Pflanzenwelt“ durch den Fachdienst Wasser, Abfall und Naturschutz des Landkreises Verden eingestuft. .
Vom vernetzten Biotopsystem zur Entwicklung vielfältigen Schutzzonen
Die durch Ankauf geschützten Biotope als Erhaltungs-, Rückzugs- und Ausbreitungsflächen sollen, um diese Funktionen langfristig erfüllen zu können, miteinander verbunden werden. So wie jede Tierart unterschiedliche Ansprüche (z. B. Sommer- und Winterbiotop bei Amphibien) an ihren Standort stellt, so verschieden sind auch ihre Ausbreitungsfähigkeiten. Sämtlich erworbene Flächen des Landkreises Verden, der Privateigner und des NABU fließen in ein Entwicklungs- und Pflegekonzept. Ein Hauptaugenmerk wird zunächst auf eine naturschonende Beweidung bzw. Mahd nach dem 20. Juni gelegt, bzw. manche Gebiete werden sich selbst überlassen (Wald, Ruderalflächen). Je nach Art des Schutzkonzeptes werden Düngerzugaben untersagt/reduziert.
Evtl. kann eine Nachmahd im September/Oktober möglich sein! Eine gutes Miteinander mit unseren Bewirtschaftern aus der hiesigen Landwirtschaft ist uns sehr wichtig!
Insekten- und Pflanzenbekämpfungsmittel sowie das Aufbringen von Gülle sind strengstens untersagt. Weiterhin wird geprüft, ob sich Flächen für den Ausbau von Tümpeln, Grabenaufweitungen, Anpflanzungen u.a. eignen. Selbstverständlich ist das Anbringen von Nisthilfen für Bilche, Faltenwespen, Fledermäuse und Vögel (160 Kästen), dessen Kosten der NABU selbst aufgebracht hat.
Tourismus und Jagd im Holtumer Moor
Durch den Ankauf von Flächen zum Zwecke des Natur- und Landschaftsschutzes konnte ein Preisverfall an Grünland und somit für die bäuerliche Landwirtschaft verhindert werden. Zahlreiche Kleinlandwirte konnten ihre Flächen in den letzten 30 Jahren den 3 Partnern im Naturschutz anbieten. Die Gemeinde Holtum und auch Kirchlinteln profitieren nicht zuletzt von dem Flächenerwerb, da viele Gäste das Holtumer Moor besuchen, welches auf festen Rundwegen möglich ist..
Sämtlich erworbene Flächen kommen der Flora und Fauna zu Gute. Selbst die Jagdpächter profitiert davon, in dem die Landkreis-, NABU- und Privatflächen oftmals die letzten Rückzugsgebiete für Damwild, Fasanen, Hasen, Rebhühner und Rehe darstellen.
Auch die Holtumer Bevölkerung und vor allem die heranwachsenden Generationen werden sich selbst in späteren Jahren an einer gesunden Mischung von Naturschutz und Landwirtschaft erfreuen können. Aus diesen Gründen hat die NABU-Biotoppflegegruppe einen engen Kontakt zur Jugendfeuerwehr Holtum, die jährlich eine Pflanzaktion auf den Flächen des NABU oder des Landkreises Verden durchführt. Zusätzlich bietet der NABU Exkursionen im Holtumer Moor an um so der Bevölkerung und hier besonders die junge Generation an die Natur heranzuführen. Wo kann man sonst schon im Landkreis Verden von einer befestigten Straße Neuntöter, Braun- und Schwarzkelchen, Kranich beobachten, den Pirol, die Wachtel oder die Stimmen von Amphibien hören, ohne das Gelände zu betreten.
Landwirte aus Holtum und Umgebung als Landschaftspfleger
Die im Naturschutzprojekt Holtumer Moor zu verpachtenden Flächen stehen den Landwirten aus Holtum und Verden-Walle zur extensiven Bewirtschaftung zur Verfügung. Da eine ganzjährige Beweidung auf den leichten Böden erhebliche Nachteile mit sich bringt (starker Verbiss und Trittschäden), ist eine Maht oder eine Saisonbeweidung vorrangig. Der Versuch, Rinder/Kühe das ganze Jahr hindurch auf den Extensiv-Flächen zu belassen, ist leider fehlgeschlagen. Tauchen für den NABU landwirtschaftliche Fragen auf, sind Landwirte aus Holtum und Umgebung gerne bereit, hier zu helfen!
Holtumer Moor – ein langfristiges Naturschutzprojekt
Das vor 40 Jahren begonnene Schutzprojekt Holtumer Moor war nie auf Kurzfristigkeit angelegt, sondern soll nachhaltig die bäuerlichen Strukturen im Holtumer Moor erhalten. Dieses ist nur durch Absprachen und eine enge Zusammenarbeit zwischen NABU, Landkreis Verden und Privateigentümern möglich.
Das Schutzkonzept zeigt aber auch, dass aktiver Naturschutz auf Langfristigkeit angelegt sein muss, zumal die Flächen nicht sofort erworben werden können. Leider sind für langfristige Aufgaben junge Menschen heute kaum noch zu begeistern, da allzu oft aufgegeben wird, wenn nicht schon bald ein Erfolg des Einsatzes sichtbar wird. So ist es nicht verwunderlich, wenn überwiegend ältere Mitglieder in der Biotoppflegegruppe Holtum aktiv mitmachen. Intensive Gespräche und Werbung von jüngeren Naturschutzinteressierten brachten dennoch die ersten Erfolge. Heute hat die homogene Gruppe einige jüngere Mitglieder in ihren Reihen, die sich aktiv in die Arbeit einbringen! Die Eigenflächen des NABU bieten genügend Möglichkeiten, Selbsterfahrung im Umgang mit der Natur und seinen vielfältigen Wechselbeziehungen zu sammeln oder sich dem Artenstudium hinzugeben. Für zahlreiche Arbeitseinsätze zur Schaffung neuer Biotoptypen und zur Pflege der Flächen eignen sich auch Jugendliche. Aktiver Naturschutz bedeutet letztlich aber auch die Erhaltung einer Kulturlandschaft. Der Einsatz hierfür sollte deshalb allen Generationen vorbehalten sein.
Ohne Unterstützung kein Naturschutz
Da mit der Größe von Schutzgebieten auch die Vielfalt an Pflanzen und Tieren steigt und geschützte Biotope z.B. nach §30 NnatG als Erhaltungs-, Rückzugs und Ausbreitungsflächen dienen, ist ein Erwerb von Feuchtwiesen, Birken- und Erlenbruchwäldchen und Kleinstrukturen weiterhin notwendig. Nur eine Mischung aus Landwirtschafts- und Naturschutzflächen kann für den langfristigen Erhalt eines artenreichen Holtumer Moores garantieren. Leider nehmen auch im Holtumer Moor Insekten- und Vogelarten ab. Maisfelder sind artenarm. Intensivgrünland (mehrmalige Mahd ab Ende April – August) setzen den Wiesenvögeln und diversen Insektenarten so zu, dass es diese kaum noch gibt. Aus diesen Gründen ist es unablässig, dass weitere Anstrengungen seitens des NABU unternommen werden müssen, weitere Flächen zu erwerben.
Da leider der Landkreis Verden seit vielen Jahren keinen Biotopkauf mehr im Holtumer Moor getätigt hat, trägt die Hauptlast beim Erwerb der Biotope der Goy-Fonds des NABU-Kreisverbandes Verden e.V.
Natürlich würde sich der NABU freuen, wenn auch die Holtumer Landwirte kleinere Restflächen dauerhaft für den Naturschutz zur Verfügung stellen könnten. Gleichfalls ist hier auch die Jägerschaft gefragt, die sich leider bisher aus dem/r Flächen-Ankauf bzw. Pachtung von Flächen herausgehalten hat, dennoch vom Engagement des NABU profitiert.
Wer sich aktiv an der Arbeit der Biotoppflegegruppe beteiligen, bzw. sich das Naturschutzprojekt vor Ort ansehen möchte, wende sich bitte an Franz Berger (fberger@gmx.net-04230-627) und Jürgen Stiehler (juergen.stiehler@web.de - 04235587)
Bericht : Hans-Jürgen Maaß/Verden
Holtumer Moor. BERICHT.01.2018